Bereits heute verschlingt der Schuldendienst rund ein Fünftel der gesamten Steuereinnahmen des US-Staats. Damit rückt eine Frage wieder in den Mittelpunkt der Debatte: Wie tragfähig sind die US-Staatsschulden noch? Zwar sind die Vereinigten Staaten mit ihrer weltweit führenden Wirtschaftskraft, dem tiefen Anleihemarkt und der Rolle des US-Dollars als globale Leitwährung in einer Sonderposition. Dennoch wächst unter Experten die Sorge, dass der bisherige Vertrauensvorschuss bröckeln könnte. Denn die durchschnittliche Restlaufzeit amerikanischer Schulden beträgt nur 5,8 Jahre. Das bedeutet: Steigende Zinsen wirken sich rasch auf den Bundeshaushalt aus und erhöhen die Zinslast.
Im Hintergrund dieser Entwicklungen steht eine größere finanzpolitische Debatte: Ist eine dauerhaft expansive Haushaltsführung mit hohen Defiziten tragbar oder droht eine Dynamik, die nicht mehr zu kontrollieren ist? Wissenschaftliche Modelle gehen davon aus, dass die Vereinigten Staaten unter günstigen Bedingungen noch etwa 20 Jahre Zeit hätten, um ihre Haushaltspolitik zu korrigieren. Doch je länger mit konkreten Maßnahmen gewartet wird, desto kleiner wird der Spielraum. Ein plötzlicher Vertrauensverlust könnte dazu führen, dass Investoren ihr Kapital möglicherweise aus den USA abziehen und in stabilere Währungsräume wie Japan, die Schweiz oder Deutschland umschichten.
In der Folge könnte der US-Dollar unter Druck geraten, US-Anleihen würden an Attraktivität verlieren und die Zinsen könnten stark steigen, was wiederum die Schuldentragfähigkeit weiter schwächt. US-Aktienmärkte, insbesondere Finanzwerte, gelten in diesem Fall als besonders anfällig. Gleichzeitig würden sichere Häfen wie Gold profitieren. Tatsächlich haben viele Zentralbanken in den vergangenen Jahren ihre Goldreserven erhöht, was als Absicherung gegen mögliche Vertrauensverluste in den Dollar gedeutet wird.
Diese Szenarien klingen erstmal alarmierend. Dennoch sprechen viele Argumente dafür, dass eine unkontrollierte Schuldeneskalation auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist: Die USA sind mit Abstand der größte und liquideste Anleihemarkt der Welt und der US-Dollar ist die globale Leitwährung. Diese Sonderrolle sorgt dafür, dass Investoren weiterhin amerikanische Staatsanleihen nachfragen. Trotz steigender Schulden und trotz politischer Unsicherheiten. Zehnjährige US-Anleihen notieren derzeit bei stabilen Renditen um 4,35 Prozent. Von einem Vertrauensverlust oder gar Panik ist am Markt aktuell nichts zu spüren. Und das aus gutem Grund: Die wirtschaftliche Schlagkraft der USA, ihre Innovationskraft und die institutionelle Stärke des Landes sorgen weiterhin für eine hohe Kreditwürdigkeit.
Zudem existiert kein „kritischer Schwellenwert“, ab dem eine Schuldenquote automatisch in eine Krise mündet. Vielmehr entscheidet das Zusammenspiel verschiedener Faktoren darüber, wie tragfähig Schulden sind. Dazu zählen das Wirtschaftswachstum, Zinsniveau, politische Stabilität und internationale Verflechtungen. Solange Anleger davon überzeugt sind, dass die USA ihren Verpflichtungen langfristig nachkommen können, bleibt auch die Finanzierung gesichert.
Ein weiterer wichtiger Stabilitätsanker ist die US-Notenbank Federal Reserve. Im Fall einer echten Vertrauenskrise könnte die Fed, wie bereits in der Finanzkrise 2008 oder in der Pandemie 2020, erneut als Käufer von Staatsanleihen auftreten. Ihre Fähigkeit Liquidität bereitzustellen, hat sich in der Vergangenheit mehrfach als wirksam erwiesen, um Marktpanik zu stoppen und die Finanzierungskosten des Staates zu senken. Zwar hätte ein solches Eingreifen auch Nebenwirkungen, wie etwa höhere Inflation oder einen schwächeren Dollar, doch als kurzfristige Notmaßnahme ist es ein wirkungsvolles Instrument.
Auch aus der Perspektive der globalen Finanzarchitektur spricht vieles gegen eine Eskalation. Die USA sind so eng mit dem internationalen Finanzsystem verflochten, dass ein Zahlungsausfall nicht nur die Vereinigten Staaten treffen würde, sondern weltweite Schockwellen auslösen könnte. Institutionelle Investoren, Ratingagenturen und andere Staaten haben daher ein ureigenes Interesse daran, die Stabilität der US-Finanzen aufrechtzuerhalten. Das macht die USA „too big to fail“.
Nicht zuletzt zeigen auch historische Erfahrungen, dass Schuldenstände nicht zwangsläufig zu einer Krise führen müssen. Nach der Finanz- und Schuldenkrise 2008 sowie nach der Pandemie stieg die Schuldenquote stark an und sank anschließend wieder, ohne dass es zu einem wirtschaftlichen Schock kam. Entscheidend ist, dass das Wirtschaftswachstum höher bleibt als die langfristigen Finanzierungskosten. Damit ist auch ein hoher Schuldenstand dauerhaft tragbar.
Das bedeutet nicht, dass alles im Lot ist. Die strukturelle Neuverschuldung bleibt hoch, politische Reformen sind dringend nötig und die Fed muss ihre Rolle sorgfältig austarieren. Doch unter dem Strich sprechen viele Faktoren dafür, dass die USA, mit ihrem stabilen Finanzsystem und zahlreichen Sicherungsmechanismen, auch weiterhin als verlässlicher Schuldner gelten.
Für Anlegerinnen und Anleger ist daher Gelassenheit empfehlenswert. Eine bewusste Streuung der Kapitalanlagen, eine ausgewogene Mischung aus Aktien, Anleihen und Sachwerten sowie ein langfristiger Anlagehorizont bleiben die besten Mittel, um sich gegen mögliche Marktverwerfungen zu schützen. Wer gut diversifiziert ist, kann auch in einem Umfeld wachsender US-Staatsschulden ruhig schlafen.
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